Samstag, 24. Januar 2009
 
Entwicklungshilfe: OLPC gerät ins Trudeln PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Bernhard Redl   
Freitag, 18. Januar 2008

"One Laptop Per Child" wollte jedem Kind in armen Ländern einen Laptop verschaffen, um die Bildungsmöglichkeiten dort zu verbessern. Viel ist von diesem ehrgeizigen Projekt nicht übriggeblieben.

Nicholas Negroponte ist ein eigenwilliger Mensch. Der Professor am Massachusetts Institute of Technology erklärte einmal, er würde nicht telefonieren, denn diese Kommunikationsform sei weder ökonomisch noch persönlich. Er habe zwar ein Handy, aber damit lese er nur seine Emails. Ansonsten mache er alles face-to-face aus. Aber telefonieren will er einfach nicht. Punkt.

Ein sturer Kerl also. Und ein Mensch mit Ideen. Nur so jemand konnte das Projekt "One Laptop Per Child" (OLPC) ins Leben rufen. Die Idee präsentierte er vor genau 3 Jahren auf dem WEF in Davos: "Die meisten der knapp 2 Millionen Kinder in den Entwicklungsländern werden unzureichend unterrichtet oder bekommen überhaupt keinen Unterricht. ... Die wertvollste natürliche Ressource jeder Nation sind ihre Kinder. Wir glauben, daß eine sich rasant entwickelnde Welt diese Ressource nutzbar machen muss, indem es die den Kindern angeborenen Fähigkeiten, zu lernen, sich auszutauschen und aus sich selbst Neues zu schaffen, aufgreift. Unsere Antwort auf diese Herausforderung ist der XO-Laptop, eine Kindermaschine, geschaffen für das ´Lernen zu Lernen´." Und jedes dieser Kinder sollte einen solchen Laptop bekommen, einen Rechner, der, weil unter Weglassung allen Schnickschnacks und in riesiger Auflage produziert, in der Produktion nur 100 US-$ das Stück kosten sollte.

Ein ehrgeiziges Projekt. Die Idee zur Realisierung: Entwicklungsländer sollten die Dinger in großer Stückzahl ordern, denn in dieser Preisklasse und als notwendige Investition in die Zukunft müßten die sich das leisten können. Die Geräte sollten den Kindern und der Einsatzumgebung angepaßt sein: Klein, leicht, robust, intuitiv bedienbar, mit einem auch im Freien erkennbaren Display und mit einer Kurbel, um den Akku zu versorgen, wenn gerade mal kein Strom vorhanden ist.

Kritik kam schnell auf: Die Frage stelle sich, ob die akute Armut, die diesen Kindern oft nicht einmal ausreichende Ernährung erlaubt, nicht andere Prioritäten setze. Auch ob das Ganze nicht einfach nur zu einer Exportförderung für IT-Konzerne verkomme, wurde kritisiert. Die bösesten Kommentare á la der XO sei kein "ordentlicher Computer" und nutze den Kindern nichts, kamen aber von Vertretern von Intel und Microsoft -- kein Wunder, sollte der XO doch ohne teure Intel-Hardware und Microsoft-Betriebssystem auskommen. Microsofts "Förderungsmaßnahmen", bei denen Menschen in Entwicklungsländern Windows-Schulungen bekommen, die halt den angenehmen "Nebeneffekt" haben, daß die Schüler auf MS-Software eingeschworen werden, würden natürlich durch eine massenhafte Verwendung von linuxbasierten XO-Rechnern torpediert.

Negroponte wollte sich aber nicht irritieren lassen und trieb sein Projekt voran -- trotz enormer Schwierigkeiten. Denn das Projekt verteuerte sich zunehmend, schließlich wollten die Firmen ganz unphilantropisch gut daran verdienen. Die Prototypen wandelten sich im Monatstakt und niemand wußte mehr wirklich, wie das Endprodukt ausschauen sollte. Am auffälligsten dabei: Die Dynamokurbel verschwand und wurde durch Solarzellen ersetzt.

Billiger wurde das Gerät durch die vielen Neuerungen nicht, im Gegenteil. Dazu kam, daß Intel im XO plötzlich eine neue Vermarktungsidee entdeckte und ein eigenes Produkt im selben Preissegement, den "Classmate" ankündigte -- marktwirschaftliche Konkurrenz also gegen ein Entwicklungsprojekt.

Schließlich liessen auch die Bestellungen aus Entwicklungs- und Schwellenländern auf sich warten. Negroponte wollte mit der Produktion erst beginnen lassen, wenn 3 Millionen Bestellungen eingegangen wären. Jetzt gibt es nicht annähernd diese Bestellungen und er läßt trotzdem produzieren -- doch der Preis liegt jetzt bereits bei rund 200 US-$.

In seiner Not versuchte Negroponte Mitte 2007 Intel doch wieder ins Boot zu holen und verschaffte einem Vertreter des Chip-Riesens einen Sitz im OLPC-Vorstand. Intel nahm den Sitz gerne an, aber bewarb trotzdem weiter seinen Classmate. Worauf Negroponte Intel wieder aus dem Projekt warf -- um vom Teufel zum Beelzebub zu wechseln: Letzte Woche verkündete er, daß er jetzt bei Microsoft Unterstützung suche und dazu den XO alternativ auch mit einem auf die Hardware angepaßten Windows anbieten möchte.

Willkommen in der kapitalistischen Wirklichkeit!



Quellen:
http://www.heise.de
http://futurezone.orf.at
http://www.laptop.org

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